2000
Das Zeichen im Schnee
19. Februar 2000
Meine Gedanken drehten sich im Kreis, und ich hatte die ganze Nacht nicht schlafen können. Die Geschehnisse des Vortages hatten mich so sehr aufgewühlt, dass ich keine Ruhe finden konnte, und schon in aller Frühe – es war gerade einigermaßen hell geworden – sah ich durch die Glasfenster unserer Eingangstür die recht steile Auffahrt hinunter, die zu unserem Haus führte. Es hatte in der Nacht geschneit, den ersten Schnee des neuen Jahres und neuen Jahrtausends, und die Natur war rundum mit einer watteartigen Schicht Neuschnee bedeckt. Es sah ganz friedlich aus, und gerade so, als schien die Natur selbst mich dazu aufzufordern, alles Alte ruhen zu lassen und ganz neue Wege zu gehen…
Irgendwas drängte mich dazu, genauer hinzusehen, und wie einige Jahre zuvor – ebenfalls im Neuschnee – erkannte ich plötzlich doch Abdrücke, die meine Aufmerksamkeit sofort auf sich zogen; etwas entfernt, direkt in der Schräge der Auffahrt, aber so groß, dass sie von einer Seite zur anderen reichten, jeweils begrenzt von den dortigen Böschungen.
Merkwürdig, dachte ich und fühlte mich davon wie magisch angezogen. Es drängte mich förmlich danach, zu ergründen, was das war. Also zog ich mir Schuhe und etwas Wärmeres an, verließ das Haus und setzte vorsichtig meine Schritte in den ersten Schnee des neuen Jahrtausends. Es klingt so banal, doch es erschien mir in dem Moment von sehr besonderer Bedeutung zu sein.
Während ich mich den Abdrücken Schritt für Schritt (die durch den Schnee rutschige Auffahrt hinunter) näherte, achtete ich sehr auf andere Spuren, aber es gab keine. Vollkommen unberührt, geradezu jungfräulich, breitete der Neuschnee sich vor mir aus, und nicht einmal Spuren von Vögeln waren zu erkennen.
Mit etwas Abstand zu den Abdrücken, die ich vom Flur aus durchs Fenster der Haustür gesehen hatte, blieb ich stehen. Im ersten Moment konnte ich gar nicht erkennen, um was es sich handelt, da es so groß war – und auf dem Kopf stand, wie ich dann erkannte. Ich fühlte mich dazu aufgefordert, alles „von der anderen Seite aus“ zu betrachten, und hangelte mich an der einen Seite der Böschung um „die Zeichen“ herum, um keine Spuren zu erzeugen, die es beschädigen könnten; fremde gab es auch hier nirgendwo, auch nicht im unteren Teil der Auffahrt, die in einer Straße mündete. Alles lag glatt und weiß vor mir…
Von „der anderen Seite aus“ betrachtet erkannte ich nun ganz genau, um was es sich handelte:
Quer über die ganze Auffahrt, von einer Seite zur anderen, waren zwei ineinander verschlungene Herzen „gedrückt“, wie mit einem riesigen Stempel in den Schnee gedrückt – mit vollkommen glatten Konturen. Im Nachhinein kommt mir dabei der Vergleich mit (echten) Kornkreisen in den Sinn…
Weder um die Herzen herum, noch in ihnen gab es Spuren, die Rückschlüsse auf einen Verursacher zugelassen hätten. Alles war vollkommen unversehrt.
Meine jüngste Tochter, die etwas später dazukam, konnte ebenfalls nichts entdecken, und auch
später fand sich kein Urheber.
Mein Mann schied aus. Er, der Vater meiner (1993 an Leukämie verstorbenen) ältesten Tochter, war am Vortag – nach einer kurzen Trennungszeit, um die ich gebeten hatte – endgültig ausgezogen. Von einem auf den anderen Moment, was eine sehr schnelle, ganz neue Orientierung für mich erforderte.
Das war es, was mich die Nacht davor nicht hatte schlafen hatte.
(Eine kurze Erklärung:
Nicht nur mein Leben an sich, auch meine beiden Ehen fanden in seltsam erscheinender Reihenfolge statt: Den Vater meiner ältesten Tochter heiratete ich nach der Ehe mit dem Vater meiner beiden jüngsten Töchter. Rückwirkend und dadurch ganzheitlicher betrachtet steckt aber genau darin ein sehr besonderer Sinn. Es „musste“ so sein.)
Das „Zeichen bzw. Symbol“ im Schnee – die zwei ineinander verschlungenen Herzen – waren mir sehr vertraut. Ich selbst hatte sie – sieben Jahre zuvor – für den Grabstein meiner Tochter genauso entworfen und sah sie, wann immer ich den nahen (nur einen Steinwurf entfernten) Friedhof besuchte, vor mir. Damit war die symbolische, stille Botschaft für meine Tochter und mich verknüpft, dass unsere Liebe und innere Verbindung nie enden würde…
Und nun, an diesem sehr bedeutenden 1. Tag, der mein Leben in eine ganz neue Richtung lenken würde, sah ich es vor mir im Schnee. Wie einen Stempel, den „der Himmel“ selbst hineingedrückt hatte…
Dies „Zeichen“, etwas abgewandelt, wurde auch das Symbol des von mir – nach dem Tod meiner Tochter - gegründeten Leukämie-Hilfe-Vereins.
Mit der Trennung von meinem Mann (18.02.2000) und diesem (für mich wunderbaren, „himmlischen“) Erlebnis endeten die merkwürdigen Geschehnisse nicht.
Tatsächlich begann eine ganz neue Phase: Es wurde immer spannender und unfassbarer…
Zum Fotografieren:
Die modernen Handys der heutigen Zeit gab es damals noch nicht, und für meinen (zu dem Zeitpunkt noch analogen) Fotoapparat hatte ich keinen Film, so dass ich das Zeichen nicht fotografieren konnte. Es wäre ohnehin schlecht möglich gewesen, da es sich schräg auf der Auffahrt befand und mehrere Meter breit und hoch war.